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Zwar wieder nicht wie gedacht, aber wir waren heute bei der Quelle!

06. August 2021

05.08.21 um 1:30 Uhr in der Nacht: Wir wollten ein Abenteuer, also bekommen wir auch ein Abenteuer. Nur heißt das wieder mal noch lange nicht, dass es nach unseren Regeln und Vorstellungen läuft. Das Leben spielt halt nach seinen eigenen Regeln. Nach drei Stunden Fahrt und einem Einkauf mit unserem letzten Geld, standen wir heute voller Vorfreude vor einer Absperrung, wo es eigentlich zu unserem Hotel gehen sollte, das wir ja für die Nacht vor zwei Tagen gebucht hatten. Das sei unser Freifahrtschein, direkt mit dem Auto ganz nach oben fahren zu dürfen und nur noch ein paar hundert Meter zur Quelle fahren zu müssen – Hatten wir gehofft, aber leider Fehlanzeige. Wie wir herausbekamen, wäre es üblich, dass ein Bus einen zum Hotel bringt oder man abgeholt wird. Für eine Direktfahrt braucht es Sondergenehmigungen usw., wir kennen das ja. Verdammter Mist.

Aber wir ließen uns natürlich nicht unterkriegen und suchten eine alternative Route. Nach dem dritten Durchfahrtsverbot wurde uns dann doch unbehaglich und wir beschlossen, trotzdem unser Versprechen einzuhalten, direkt von der Quelle der Elbe zu starten. Wir luden also nur das Tandem ab und begannen die beste Trainingstour, die wir uns für die große Fahrt wünschen können.

Das Bild ist nicht schräg, das ist wirklich die Steigung

Neun Kilometer nur steil bergauf bei leichtem bis starkem Regen. Erst war uns ja noch warm, doch ab tausend Metern Höhe war es so kalt, dass ich mich ein wenig an das Wim Hof Seminar erinnert fühlte, bei dem es nur mit Badehose bekleidet im Februar auf die Schneekoppe ging. Trotzdem wurden wir belohnt mit fantastischen Ausblicken und dem Anblick dahinjagender Wolken, die durch uns durchzufliegen schienen. Fast am Ziel kamen wir sogar an dem Hotel vorbei, das alles so viel leichter hätte machen können.

Haha, für Fahrräder gesperrt – wir waren heilfroh ein Mountenbike-Tandem zu haben bei der Strecke

Auf dem Weg vom Hotel, der im Übrigen für Fahrräder gesperrt ist, waren dann in regelmäßigen Abständen so tiefe Rillen, die ein Durchkommen mit dem Lastenrad fast unmöglichen gemacht hätten. Durch die Länge wären wir hinten immer aufgesetzt und bei dem Versuch, die Rillen schräg zu passieren, wäre das Klavier gekippt. Etwas versöhnt, wirklich das Mögliche möglich gemacht zu haben, kamen wir völlig durchnässt, aber glücklich, bei der Quelle an.

Mit fast zwei Tagen Verzögerung, aber dem Hochgefühl, dass es jetzt wirklich, wirklich los geht und wir unser Versprechen eingelöst haben.

Das Quellwasser wird abgefüllt, das uns bis Cuxhaven begleiten wird

Vollkommen durchnässt, aber glücklich, füllten wir die kleine Flasche mit dem Quellwasser der Elbe, die wir eigens dafür mitgenommen hatten. Das Wasser wird uns bis zur Mündung begleiten, um dann, sozusagen unverdorben dem Meer übergeben zu werden. Ein wunderschönes Bild und ein poetische Idee, die Andreas da hatte.

Was mir sehr wichtig war: Dass wir trotz des Frierens und der nahenden Dunkelheit wenigstens ein paar Minuten der Stille finden, in der wir den Geist der Labe/Elbe um gutes Gelingen unseres Vorhabens bitten und uns mit ihr verbinden, schließlich werden wir ja nun drei Wochen lang Seite an Seite einen langen Weg entlangziehen, ihr beim Wachsen zusehen und sie bis zum Tod, dem Eingehen in etwas Größeres, begleiten. Es fühlte sich gut an, mich mit dieser Jahrtausende alten Energie im Stillen zu unterhalten und ich hatte ein gutes Gefühl, was das Wohlwollen der Elbe angeht. Das hört sich jetzt für den einen oder die andere bestimmt etwas schräg an und sehr esoterisch. Mir ist es letztlich nicht wichtig, ob es da wirklich einen Flussgeist gibt, entscheidend ist die innere Haltung und das Gefühl, dass es macht, sich darauf einzulassen, zu erkennen, dass wir eben nicht alles in der Hand haben, dass es da viel mehr gibt, als wir glauben und mit unseren oft unzureichenden Sinnen wahrnehmen können; ein großes Stück der vermeintlichen Kontrolle abzugeben und einfach unser Vertrauen in uns und vor allem unsere Umwelt und auch die Achtung vor dieser zu stärken.

Dann sollte es wieder bergab gehen und mit Karacho düsten wir den ersten Kilometer hinunter, bis Andreas fragte: „Wo ist eigentlich dein Rucksack?“ Andreas entschied sich, hochzujoggen und war in zehn Minuten auch wieder zurück mit dem Rucksack, in dem auch der Autoschlüssel war. Jetzt, auf der „Downhill-Fahrt“ bewährte sich die Federgabel, auf die ich anfänglich so geschimpft hatte und als es schon fast stockdunkel war, (wir hatten natürlich kein Licht mit…) setzte auf einmal die Hinterbremse aus.

Den Bremsklotz, den man vor Hitze nicht anfassen konnte

Die Bremsscheiben glühten fast und die Bremsklötze konnte man vor Hitze auch kaum anfassen. Na klar, bei neun Kilometern steiler Bergabfahrt mit dem Gewicht von uns beiden, ist das ja auch echt kein Wunder gewesen. Nach dem ersten Schrecken funktionierte die Bremse dann wieder und wir waren trotz Nichteinhaltung froh, dass uns das Schicksal davon abgehalten hat, mit über zweihundert Kilogramm im Rücken diese Strecke gefahren zu sein. Es hätte sicher eine Ewigkeit gedauert, da wir nur in Schrittgeschwindigkeit hätten fahren können und es hätte mindestens drei Bremsbeläge verbraucht, die war als Ersatz natürlich nicht mithaben. In vollkommenster Dunkelheit luden wir das Tandem wieder auf und fuhren gestern noch nach Mélnik, wo wir dann morgen, frisch und munter in die Route einsteigen wollen. Alles andere hätte jetzt durch die Verzögerung keinen Sinn gemacht. So bleiben uns aber trotzdem noch über 1000 stolze Kilometer. Hui, das wird ein Ritt. Gute Nacht und bis morgen ihr Lieben.


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